Neues touristisches Alleinstellungsmerkmal: Pestizidfrei – die Gemeinde Mals in Südtirol

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Alte Kulturlandschaften verschwinden, Apfelplantagen als Monokulturen sollen entstehen. Ein Dorf wehrt sich. Foto: Michael  / pixelio.de
Alte Kulturlandschaften verschwinden, Apfelplantagen als Monokulturen sollen entstehen. Ein Dorf wehrt sich.
Foto: Michael / pixelio.de

Beim  Stöbern nach interessanten Themen im Programm der diesjährigen Grünen Woche in Berlin stößt man auf folgende Programmankündigung:“ Auf dem Weg zur ersten pestizidfreien  Kommune Europas -Mals in Südtirol.“ Pestizidfrei – das wäre ein echtes Alleinstellungsmerkmal und welche Rebellion allein hinter dem Aufruf steht!
Die Bürger von Mals in Südtirol haben  sich vergangenen Herbst in einer Volksabstimmung gegen den Einsatz von Pestiziden entschieden. Konventionell arbeitende Bauern und deren Interessenvertreter lieferten sich zuvor hitzige Debatten mit besorgten Dorfbewohnern, Biobauern und Hoteliers sowie Umweltschützern. Trotz gültiger Volksabstimmungsergebnisse vom Herbst 2014 fand man im Gemeinderat Schlupflöcher, anhand von Satzungsfragen den Willen der Mehrheit wieder ungültig zu stempeln. Nun muss man weitersehen, was die zukünftige Entwicklung bringt. Ist Mals eigentlich für eine solche Entscheidung zuständig? Darüber wird eifrig diskutiert auch auf EU- und Landesebene.

Die Bürger wehren sich – David gegen Goliath

Die Malser sind aufmüpfig geworden. Sie wehren sich vehement gegen den Verlust ihrer kulturellen Identität, ihrer alten Kulturlandschaften. Paradoxerweise ist aufgrund von Klimaveränderungen nun auch der Anbau von Obst im Obervinschgau möglich. Apfelbarone überbieten sich für die Ländereien. Die Landwirtschaftsindustie möchte hier ihren Teppich uniformer Plantagen ausrollen mit Apfelbäumen für die schnelle industrielle Obstproduktion, kein Platz mehr für Artenvielfalt.  Es droht die Monokulturdampfwalze, die zur Zeit unaufhörlich vom Niedervinschgau  zum Obervinschgau rollt. Perspektivisch soll eine Landschaft wie im Niedervinschgau entstehen : Kilometer über Kilometer  von Apfelplantagen soweit das Auge reicht, regelmäßig parfümiert mit  Pestiziden, die natürlich auch über die Felder der angrenzenden Biobauern wehen. Auf Grund der Windverhältnisse ist ein Nebeneinander von biologischer und konventioneller Landwirtschaft hier nicht  möglich. Der Wind in dieser Tallage weht alles, überall hin. Einige konventionelle  Apfelplantagen bestehen schon und so ist das Problem schon auf dem Tisch.

Diese Provinzmeuterei schlägt mehr und mehr Wellen. Pressevertreter internationaler Medien aus Europa, Japan und den USA  berichteten schon über die kleine Saat, die da aufkeimte. Auch hatte die Hollawint Bewegung prominente Unterstützung seitens zweier Träger des Right -Livelihood – Awards Hans Rudolf Herren und Vandana Shiva. Es gab  Einladungen  zu Ärztekongressen nach Arezzo und Brescia, zu Tagungen wie der Bioland-Bundesdelegiertenversammlung in Deutschland oder der römischen Abgeordneten-Kammer.

Pestizidfrei -Werbeslogan für künftige Touristenattraktionen

Der Begriff Alleinstellungsmerkmal gehört zum Grundvokabular des Marketings. Es  ist ein einzigartiges Nutzungsversprechen, welches mit dem Produkt verbunden wird. Weiterhin kann es eine Grundlage für eine Werbekampagne werden, frei nach dem Motto: Besucht unsere pestizidfreien Gemeinden in Südtirol. Sicher würde dies sofort zum Stein des Anstoßes werden, da sich die anderen dann pestizidbelastet fühlen würden. Aber Öko-Aspekte als Werbemittel einsetzten, warum soll dies nicht funktionieren? Natürlich würden bloße Versprechungen unter dem Blick der kritischen Reisenden sehr schnell entlarvt werden. Aber wirkliche Errungenschaften mit Substanz und Adresse sollten auch für den mündigen Touristen benannt werden. Schließlich gibt es ja auch Bio-Dörfer und verkehrsfreie Gemeinden sowie Kommunen, die sich mit Nachhaltigkeit befassen und dafür auch gute Konzepte haben. Bis vor kurzen gab es ja sogar noch eine Gemeinde in Südtirol, die keinen Internetempfang hatte, aber eher unfreiwillig. Leider wurde dieser Zustand  sehr bald behoben. Bestimmt hätten sich einige geplagte Geister genau deshalb in dieses Tal begeben, um einmal unabhängig vom Chef, Kollegen oder Kunden Urlaub machen zu können.

 

Das Wunder von Mals- der Dokumentarfilm

Alexander Schiebel ist Filmemacher und hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen bizarren Kampf gegen die Apfel-Lobby im Bauernbund, in der Landesregierung , Pharmaindustrie und in den Medien zu dokumentieren. Er unterstützt die unbeugsamen Vinschgern  von Mals, die nicht aufhören, den Apfelbaronen Widerstand zu leisten.

Doch wie wird aus normalen Bürgern, Kämpfer für Recht und Natur? Schiebel beschreibt:

„Es war taktisch klug von den Malsern ein leicht verständliches, klar abgegrenztes und tatsächlich erreichbares Ziel zu definieren. Denn dies bewirkte, dass immer mehr Menschen über ihren Schatten sprangen und nun für ihre Überzeugungen einstehen. Dabei realisieren sie mehr und mehr, dass sie mit ihren Sorgen und Wünschen nicht alleine sind. Und sie bemerken schließlich, wie viel sie gemeinsam bewirken können.“

Somit könnte ein Modellprojekt für nachhaltige Veränderungen in anderen Gemeinden entstehen, als Demokratie von unten. Die Bürger wehren sich und treten für ihre Interessen ein.

Unser Wirtschaftssystem strebt nach kurzfristigen Profiten, ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch und Tier und Natur. Um möglichst viel und in kürzester Zeit zu ernten , bringt man Pestizide zum Einsatz und setzt auf Monokultur. Leider wird dieses Wirtschaften von der Politik unterstützt, die sich im Würgegriff der Lobbyinteressen befindet und  die Forderungen eines Großteils der Bevölkerung werden einfach ignoriert.

Alexander Schiebel setzt ein Zeichen mit seinem Dokumentarfilm, braucht aber Geld, um den Dreh mitsamt Team und Nachbereitung finanzieren zu können.

Hier sein Video und sein Projekt.

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